Sonntag, 27. September 2020

Entdeckungen in Castello.


27.9.2020

Es ist kalt draußen. 13 Grad. Ich frühstücke ganz in Ruhe, schließlich ist Regen in Sicht. Dafür muss ich mich wirklich nicht beeilen. Das ist ja der Vorteil, wenn man sich für 10 Tage eingenistet hat und nicht nur eine Stippvisite macht.


Ein Ziel ich habe immerhin schon ein für heute!
Ich will unbedingt zur Basilika Giovanni Paolo, hier im Stadtteil Castello, wo auch mein Hotel liegt.
Weit komme ich nicht, da es gleich anfängt, stark zu regnen.

Die Alternative liegt auf der Hand oder besser, vor meinen Füßen. Der Palazzo Grimani hat heute geöffnet. Vor dessen verschlossener Tür stand ich schon  schon mehrfach.

Dieser Palazzo, heute ein staatliches Museum,  wurde Anfang des 16. Jahrhunderts im Auftrag der Familie Grimani erbaut, der Hausherr wurde später in die Gruppe der Dogen gewählt und erlebte damit natürlich einen echten gesellschaftlichen Aufstieg.

Auf diesen 2 Plakaten wird für die Besichtigung geworben:



Diese prunkvolle Treppe (unten) hat eine tonnengewölbartige, reich bemalte Decke. Das sieht man
auch nicht alle Tage. 




Durch alle Räume hindurch gelangt man ganz hinten in die "Tribuna". Dort wird erst seit 2020 die berühmte Büsten- und Skulpturensammlung des Giovanni Grimani präsentiert, mit Werken aus dem 5. Jahrhundert a.Ch. bis zur Spätantike. 



Nicht nur die Fußböden, sondern auch die Decken sind in allen Räumen sehr aufwendig gestaltet.


Unbequem sieht der Stuhl nicht aus.  Er ist nur ein bisschen zerschlissen.




Die in der Ausarbeitung der Decken steckt enorm viel Arbeit.
Was auf dem Foto oben nicht so gut rauskommt, ist die wunderbare, mittig total nach unten durchgebogene dicke Tischplatte. An der Wand rechts neben dem Durchgang, hängt ein Bildnis von Giovanni Grimani - ich glaube es jedenfalls- . Bei der Büste links neben der Tür bin ich mir ziemlich sicher, dass er es ist. 



Dieses Gemälde soll Tintoretto zeigen, den Maler, der in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts lebte.

Am besten gefällt mir der Raum, dessen Decke mit Motiven aus der Pflanzen- und Tierwelt völlig bedeckt ist. Selbst Mais und Tabak sind irgendwo versteckt, obwohl diese noch gar nicht lange in Europa bekannt waren.



Es regnet immer noch. Da schau´ ich mich ein bisschen im Erdgeschoss um. Vom Innenhof aus kann man an einer Seite durch vergitterte Fenster auf den Kanal und die gegenüber liegenden Häuser schauen.




Da der Regen nicht pausieren will, pausiere ich in meinem nahegelegenen Hotel.


Nach 14 Uhr stoppt die Nässe von oben endlich. Ich gehe erneut in Richtung Santa Maria Formosa und werfe einen Blick in diese Kirche. Für mich ist sie von außen interessanter als von innen. Dabei ist sie eher hell gestaltet, nicht wie viele Kirchen, in denen innen wirklich fast alles dunkel auf mich wirkt. Vielleicht würde bei Sonnenschein mehr Licht einfallen und sie freundlicher machen. Keine Ahnung, warum sie mir absolut nichts sagt. Geschichte ist eben nicht alles.



Die Heilige Barbara (1523) gilt als bedeutendes Kunstwerk und Hauptwerk des Malers Palma il Vecchio. ich muss gestehen, dass mit vielen dieser Namen wenig anfangen kann. Nur einige wenige der zur damaligen Zeit berühmtem Künstler sind mir bekannt.

Die katholische Renaissance-Kirche soll bereits im 7. Jahrhundert entstanden sein, wurde dann aber vor allem zwischen dem 9. und 12. Jahrhundert oft umgebaut. Ende des 15. Jahrhunderts wurde sie dann völlig neu erbaut, was wiederum jahrhundertelange Renovierungen und Umgestaltungen mit sich brachte. Ihre heutige Gestalt hat sie seit 1492.


"Es entstand ein Zentralkuppelbau byzantinischen Typs über dem Grundriss eines griechischen Kreuzes, ungefähr halb so groß wie der Markusdom."(Wikipedia)

Der Campanile wurde erst Mitte des 17. Jahrhunderts errichtet. Über dem Eingang ist eine grimassierende Maske angebracht, die manch einem Venezianer gar nicht gefallen haben soll.


Bevor ich weiterziehe, wärme ich mich ein wenig auf.


Hier in Venedig komme ich irgendwie kaum von der Stelle. 
Mein Ziel habe ich nicht aus dem Sinn verloren, vor meinen Augen ist es deswegen aber noch nur lange nicht. Hinter jeder Biegung verbirgt sich eine neue Überraschung. Dabei befinde ich mich immer noch im Stadtteil Castello. 
So zum Beispiel dieses Gebäude. Was ist das denn nun schon wieder? Leer und trostlos wirkt es.


Es ist die Chiesa di San Lorenzo, eine der ältesten Kirchen Venedigs.

Sie wurde im neunten Jahrhundert erbaut, brannte irgendwann ab, wurde neu gebaut, umgebaut, renoviert und vor vielen Jahren entkernt und ausgemustert.

Marco Polos Vater soll hier beerdigt worden sein und Marco Polo selbst hat in seinem Testament den Wunsch geäußert, ebenfalls seine letzte Ruhestätte hier zu finden. Nach den Gebeinen wurde intensiv gesucht, aber sie wurden nicht entdeckt.

Die Kirche gehörte zum Kloster San Lorenzo, das eines der reichsten Venedigs war. Geführt wurde es von Benediktinerinnen. Nur Familienangehörige aus feinsten Patrizierfamilien konnten hier Aufnahme finden. Der Lebenswandel der Nonnen soll reichlich Anlass zu Gesprächen gegeben haben. Von gewagten Ausschnitten und luxuriösen Kleidern ist ebenso die Rede, wie von Liebhabern und durchgebrannten Liebespaaren.
Obwohl Nonnenkloster, lebten dort auch einige Mönche.
Schon Anfang des 19. Jahrhunderts wurde zuerst das Kloster und 50 Jahre danach auch die Kirche aufgegeben.
Seit den neunziger Jahren wird die Kirche zur Architekturbiennale benutzt.
Jetzt hat sie schon seit Mai 2019 ihre Türen geöffnet für eine ganz besondere Ausstellung, in der es um die Zukunft unserer Erde geht, unter dem speziellen Gesichtspunkt der Ozeane und damit auch der noch mit Eis bedeckten Pole. Die Ausstellung will auf die akute Bedrohung unserer Meere aufmerksam machen. Eine äußerst interessante Video-Installation wird gezeigt, die Texte dazu und noch viel mehr kann man im Internet nachlesen.







Es geht schon wieder auf 16:00 Uhr zu. So langsam müsste ich aber an mein Ziel gelangen. Luftlinie ist es nur ein Katzensprung, aber die Kanäle und verzweigten Gassen haben es in sich.





Diese imposante Fassade (unten) gehört zur Kirche des Ospedaletto im Stadtteil Castello. 
Ospedale nannte man das, was man heute vielleicht Pilger-Hospiz, Sozialstation, Notunterkunft und Waisenhaus nennen könnte. Und Ospedaletto ist halt die kleinere Variante davon.
Die Fassade wurde von einem reichen Kaufmann gespendet, der sich selbstverständlich auch selbst dort hat verewigen lassen.





Da die Kirche Erlaubnis gegeben hatte, auch mit Ablasshandel etwas hinzufügen zu verdienen, dürfte es nicht schwer gewesen sein, ausreichend Geld aufzutreiben. Wer will denn schon in der Hölle schmoren?
Auch weibliche Waisenkinder wurden hier ausgebildet und sangen versteckt hinter Gittern und Altären zu Vivaldis vielfältigen Kompositionen.


Ein paar Schritte weiter, und ich erreiche endlich die Kirche San Giovanni e Paolo (San Zanipolo), die größte und bedeutendste Kirche Venedigs aus der Zeit der venezianischen Gotik.


Der Wunschtraum der meisten Dogen ging in Erfüllung, nämlich sich hier beerdigen zu lassen. Davon zeugen eine Vielzahl von prachtvoll verzierten steinernen Särgen, die wie Bienenwaben teils hoch oben an den Kirchenwänden hängen.


Zu Lebzeiten nahm ein Doge um 1700 auf solch einem Thron Platz. Erst später ging es dann an die Wände. Dabei war den Gestaltungsideen offenbar keine Grenze gesetzt. Selbst ein Sarg in Badewannengestalt ist dabei.





Es gibt auch mehrere prächtig ausgeschmückte Seitenkapellen.



An der Außenwand hängen ebenfalls einige Särge. Sie sind, ebenso wie verschiedene Reliefs notdürftig mit Scheiben geschützt. Was aber nicht heißt, dass hier nicht auch kräftig Fußball gespielt wird. Und der Ball findet die Lücken.




Nebenan ist das zur Kirche gehörende Ospedale. 


Hinter dem Eingang gibt es einen Wachposten im Glashäuschen.
Weiter als bis in die Halle darf ich nicht. Aber immerhin. Da seine Augen nicht an der Umgebung, sondern auf dem Display seines Handys kleben, kann ich ein paar Fotos machen.
Später habe ich gelesen, man könne Teile des Ospedales besichtigen, aber nur mit Gruppen und nach Voranmeldung.


Leichter Nieselregen setzt ein. Touristen kann man an einer Hand abzählen. Aber am Platz hat noch ein Café geöffnet. Dort lasse ich mich erst einmal unter der Markise nieder und genieße die Ruhe, den Cappuccino und den Blick.


Es ist 18:00. Ich mache mich auf den Rückweg.




Der Buchladen "Liberia Aqua Alta" liegt an einem kleinen Kanal und steht regelmäßig bei Hochwasser unter Wasser. Daher der Name: "Buchladen Hochwasser".
Zufällig komme ich nun zum zweitenmal hier vorbei. Und heute treibt's mich rein. Es ist schon dunkel, ich habe eh nichts mehr vor.
Kein Wunder, dass ich mich dauernd verlaufe, der Laden liegt in einer Sackgasse. Und nichts weist darauf hin, dass man sich hier nur 10 Minuten zu Fuß vom Markusplatz befindet. Ich schaffe das nie in der Zeit! Aber das finde ich andererseits auch spannend. Wo komme ich denn jetzt schon wieder raus? Es ist wie ein Spiel.

Aber jetzt geht es erst einmal hinein in das geordnete Chaos. 
Hier werden unzählige antiquarische Bücher, Broschüren und Heftchen angeboten. Alles ist äußerst originell gestapelt und geordnet. Neben Regalen müssen auch ausgemusterte Gondeln und Badewannen herhalten. 
Sogar eine Büchertreppe gibt es. Hat man sie erklommen, so kann man über die Mauer schauen und den kleinen Kanal mit einer Brücke betrachten.







Direkt bei der Kasse thront eine unendlich geduldige Katze, die keinen Kunden auch nur eines einzigen Blickes würdigt, aber alle Streicheleinheiten regungslos entgegennimmt.

 Ganz selten scheint ihr Interesse für etwas, was andere nicht sehen können, geweckt zu werden.


 Ich gehe jetzt, mache Platz. Es kommen immer noch Kunden. Nach Touristen sehen sie nicht aus.


Und gleich gibt's "Pasta to go" in meinem Domizil.



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